Fünf Jahre unter UNESCO-Schutz: Untergailtaler Kirchtagsbräuche und Tracht
Aufnahme in Nationales Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO erfolgte 2018. Tagung zum immateriellen Kulturerbe Kärntens am Freitag, 13. Oktober, in Klagenfurt.
Waren Sie schon einmal bei einem Kufenstechen dabei? Kennen Sie den Lindentanz? Haben Sie vielleicht schon einmal eine Untergailtaler Tracht getragen? – Nicht allen Menschen in Kärnten sind die Untergailtaler Kirchtagsbräuche bekannt. Der gebürtige Untergailtaler Peter Wiesflecker ist jemand, der das ändern möchte. Dem Beiratsmitglied des Geschichtsvereines für Kärnten und einer Reihe von Mitstreitern ist es vor genau fünf Jahren gelungen, dass die „Untergailtaler Kirchtagsbräuche und Untergailtaler Tracht/Ziljski žegen in ziljska noša“ in das nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen wurden. Zum immateriellen Kulturerbe in ganz Kärnten findet unter Wiesfleckers Beteiligung am Freitag, dem 13. Oktober, im Rahmen des „Jahres der Volkskultur 2023“ eine Tagung bei Hermagoras/Mohorjeva in Klagenfurt statt. Interessierte können daran von 10.00 bis 18.00 Uhr nach Voranmeldung unter bauer@unesco.at teilnehmen.
„Um die Kultur-, Alltags-, Wirtschafts- oder Sozialgeschichte des unteren Gailtales darzustellen, gibt es kein besseres Beispiel als sein Kirchtagsbrauchtum. In ihm finden wir alle Facetten dessen, was Geschichte, Kultur und Selbstverständnis dieser Region ausmachen“, betont Wiesflecker. Der bekannte Historiker und Archivar hatte zusammen mit Felix Abuja, dem damaligen Obmann der Feistritzer Burschenschaft, den Entschluss gefasst, einen Antrag auf Aufnahme in das immaterielle Kulturerbe zu stellen. „Uns war es wichtig, alle Orte des unteren Gailtales, in denen das Kirchtagsbrauchtum gelebt wird, einzubeziehen. Burschenschaften aus 25 Orten zwischen Pöckau und Egg haben daraufhin den Antrag mitgetragen“, erinnert sich Wiesflecker. Für die Aufnahme der Untergailtaler Tracht kam damals der Antrag vom „Greißlermuseum“ in Thörl-Maglern unter Diana Erat. „Untergailtaler Kirchtagsbräuche und Untergailtaler Tracht/Ziljski žegen in ziljska noša ist übrigens die erste zweisprachige Kulturerbe-Bezeichnung in Österreich. Das war auch ein deutliches Zeichen dafür, dass Bräuche das kulturelle Erbe einer Region sind und nationale Zuschreibungen – von welcher Seite auch immer – keinen Platz (mehr) haben“, betont Wiesflecker.
181 Staaten sind bis heute der entsprechenden UNESCO-Konvention beigetreten. Österreichweit wurden in das nationale Verzeichnis bisher 157 Elemente aufgenommen, darunter zwölf, die explizit auf Kärnten Bezug nehmen. Ziel ist es, immaterielles Kulturerbe, das in unterschiedlicher Form – durch mündlich weitergebene Tradition, darstellende Kunst, gesellschaftliche Rituale und Feste, Wissen um Natur und Handwerk – überliefert wurde und wird, zu sichern. Näheres darüber erfahren kann man bei der Tagung am 13. Oktober. Sie wird von Wiesflecker gemeinsam mit Katharina Spanlang und Marie Therese Bauer von der österreichischen UNESCO-Kommission sowie Martina Piko-Rustia vom Slowenischen Volkskundeinstitut/Slovenski narodopisni inštitut Urban Jarnik organisiert. Unter dem Titel „Immaterielles Kulturerbe als Chance für Teilhabe und regionale Entwicklung/Nesnovna kulturna dediščina kot možnost za participacijo in regionalni razvoj“ gibt es Impulsvorträge, eine Podiumsdiskussion und die Möglichkeit zum gegenseitigen Austausch.
Als Geschichtsvereinsmitglied ist es Wiesflecker natürlich ein Anliegen, auch die historische Entwicklung des Untergailtaler Kirchtagsbrauchtums darzustellen. Dieses besteht aus drei Hauptelementen, dem gemeinsamen Kirchgang der Mädchen und Burschen am Vormittag, dem Reiterbrauch des Kufenstechens und dem daran anschließenden Lindentanz am Nachmittag. „Organisation und Ablauf sind – durch historische Quellen und Forschung belegt – seit Jahrhunderten weitestgehend festgefügt und unterscheiden sich in den einzelnen Orten des Tales nur unwesentlich“, erklärt Wiesflecker. Die Ausrichtung obliegt den unverheirateten Mädchen und Burschen des Ortes im Rahmen der „Burschenschaft“, die in der slowenischen Mundart „Konta“ genannt wird.
Beim Kufenstechen versuchen die Burschen des Ortes, auf ungesattelten, schweren, im Unteren Gailtal seit Jahrhunderten gezüchteten Norikerpferden im scharfen Ritt die auf einem Pfahl befindliche hölzerne Kufe zu zerschlagen. Der Sieger erhält einen Blumenkranz. Der anschließende Lindentanz ist eine Abfolge von Umgang und eigentlichem Tanz und besteht aus unterschiedlichen Melodien, zu denen langsam und schnell getanzt wird. „Die wissenschaftliche Forschung beschäftigt sich seit rund zwei Jahrhundert mit dem Ursprung des Kufenstechens. Es dürfte in Kopie ritterlicher Spiele entstanden sein“, sagt Wiesflecker und verweist auf die Tradition der Pferdezucht und Säumerei im unteren Gailtal. „Fruchtbarkeitsriten, wie die Einführung des jungen Burschen und des jungen Mädchens in die Welt der Erwachsenen, dürften beim Brauchtum ebenso Pate gestanden haben wie der Wunsch, seinen Mut im Umgang mit Pferden beweisen zu können“, fasst Wiesflecker zusammen.
Zur Untergailtaler Tracht, insbesondere zur Frauentracht, kennt der Geschichtsvereins-Historiker eine skurrile Anekdote: „Die kurzen Röcke der Untergailtaler Frauentracht waren der sittenstrengen Landesfürstin Maria Theresia, sie regierte von 1740 bis 1780, ein Dorn im Auge. Sie verfügte, dass die Röcke zu verlängern seien und ‚Weibspersonen‘, die dem nicht nachkommen, zu bestrafen und von kirchlichen Handlungen auszuschließen seien.“
Informationen unter: https://geschichtsverein.ktn.gv.at
Redaktion: Markus Böhm, Pressereferent und Mitglied im Beirat des Geschichtsvereines
Geschichtsverein für Kärnten
geschichtsverein@landesmuseum.ktn.gv.at
Tel.: 0463 536 – 30573